„Dann könnten wir davon ausgehen, dass das Universum vor Leben strotzt“

Die JUICE-Sonde beim Jupiter und seinen Galileischen Monden – noch als Grafik
Bild: ESA

Vor dem geplanten BHB-Besuch des TU-Instituts für Geophysik und Extraterrestrische Physik geben Institutsmitglied Prof. Dr. Ferdinand Plaschke und BHB-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Joachim Block einen ersten Einblick in die Weltraummission „JUICE“. Prof. Block leitete bis 2020 den Standort des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig.

Köcher: Herr Professor Plaschke, Herr Professor Block, zunächst einmal die Frage: Wofür steht „JUICE“?

Plaschke: Der Name „JUICE“ ist eine Abkürzung für „Jupiter Icy Moons Explorer“: Bei der JUICE-Mission geht es vor allem darum, den Jupiter und seine Monde Europa, Ganymed und Kallisto zu erforschen. Zusammen mit Io bilden sie die vier größten Monde um Jupiter und werden auch als Galileische Monde bezeichnet.

Und welche Frage steht im Zentrum der Mission?

Plaschke: Die übergeordnete Fragestellung lautet: Gibt es habitable – also bewohnbare – Zonen auf Monden um Gasplaneten? Europa, Ganymed und Kallisto sind mit einer Eisschicht bedeckt, aber unter der Oberfläche vermutet man Ozeane aus flüssigem Wasser. Zusätzlich gibt es Anzeichen für Kryovulkanismus auf Europa. Dort könnten deshalb die Bedingungen für die Existenz von Leben erfüllt sein.

Block: Und wenn das der Fall ist, könnten sich im Maßstab des Universums viel mehr habitable Welten ergeben als bisher angenommen: Die berühmte Green-Bank-Formel von Frank Drake wird verwendet, um abzuschätzen, wie viele intelligente Zivilisationen es in der Milchstraße geben könnte. Ein Faktor in der Formel ist, welcher Anteil von Planetensystemen wohl Planeten mit habitablen Bedingungen enthält. Früher hat man angenommen, dass Planeten nur habitabel wären, wenn flüssiges Wasser auf ihrer Oberfläche existieren könnte. Im Falle unseres Sonnensystems liegt diese – oft mit grün gekennzeichnete – Zone zwischen Venus und Mars – und die Erde mittendrin. Es könnte aber sein, dass es in Wirklichkeit viel mehr Himmelskörper mit habitablen Zonen gibt und nicht nur die, die auf ihrer Oberfläche flüssiges Wasser haben.

Prof. Dr. Ferdinand Plaschke
Foto: derselbe

Sie hoffen auf Leben auf den Jupitermonden?

Plaschke: Ja, natürlich.

Block: Klar. Und wenn wir auf den Monden Leben finden würden, dann könnten wir davon ausgehen, dass das Universum vor Leben strotzt. Denn auch, wenn auf einem Planeten alle Bedingungen für Leben erfüllt sind: Keiner weiß, mit welcher Wahrscheinlichkeit dort tatsächlich Leben existiert. Extreme Pessimisten gehen davon aus, dass es sehr unwahrscheinlich ist. Nach ihrer Einschätzung gibt es in unserer Galaxis deshalb nur auf der Erde Leben. Wenn wir aber sogar Spuren außerirdischen Lebens auf einem anderen Planeten unseres eigenen Sonnensystems nachweisen können, dann muss die Wahrscheinlichkeit sehr viel größer sein.

Wann werden wir denn wissen, ob sich Leben auf den Monden befindet?

Plaschke: Es dauert jetzt 8 Jahre, bis die Sonde beim Jupiter ankommt. Dann läuft die Hauptmissionsphase ungefähr vier Jahre. Auf dem Weg zum Jupiter generiert die Sonde schon Daten, aber das Gros der wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu den Daten werden während der Hauptmissionsphase und in den Jahren unmittelbar danach entstehen. Wir können mit der Mission aber nur prüfen, ob die Bedingungen für Leben prinzipiell vorhanden sind. Die Sonde landet nirgends. Wenn man feststellt, dass wir dort wirklich einen Ozean haben mit einer habitablen Zone, dann könnte man in einem zweiten oder dritten Schritt dort landen – vielleicht mit einem Rover auf Europa, weil er die glatteste Oberfläche hat. Dort könnte man Proben nehmen.

Block: Das ist beliebig aufwändig, aber natürlich das Reizvollste, was man machen kann. Eine Frage ist, wie man durch den Eispanzer des Mondes kommt. Wenn es gelingt, könnte man den Ozean mit Mini-U-Booten untersuchen.

Prof. Dr. Joachim Block
Foto: derselbe

Die TU Braunschweig ist bei der Mission mit zwei Messinstrumenten vertreten. Was ist denn die Aufgabe der Instrumente?

Plaschke: Das Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze hat die Datenverarbeitungseinheit der JANUS-Kamera gebaut. Die Kamera soll die Oberflächen von Ganymed, Kallisto und Europa untersuchen. Das Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik, an dem ich arbeite, hat ein Fluxgate-Magnetometer beigetragen. Es gehört zu einem Gesamtsystem, das J-MAG heißt und insgesamt 3 Sensoren umfasst. J-MAG kann kleinste Magnetfelder erfassen – auch die, die unter den Mondoberflächen von Wasser-Ozeanen induziert werden würden. Außerdem soll damit das Magnetfeld auf Ganymed untersucht werden. Er ist der einzige Mond, den wir kennen, der sein eigenes Magnetfeld generiert.

Wann hat Ihr Institut denn mit der Arbeit an dem Instrument begonnen?

Plaschke: Herr Professor Glaßmeier hat mir gesagt, dass die ersten Überlegungen dazu ungefähr 15 Jahre zurückliegen. Vor etwa 10 Jahren wurden die Anträge zur Mission geschrieben. Dann wurden Modelle entwickelt. Man geht verschiedene Tests durch und verbessert immer wieder das Design. Ganz wichtig war ein Strahlungstest, weil der Jupiter sehr starke Strahlungsgürtel hat. Am Schluss baut man ein Flugmodell und einen baugleiches „Flight Spare“. Falls man vor dem Start bei einem Test merkt, dass etwas nicht funktioniert, kann man das Instrument dann sofort austauschen. Ansonsten benutzt man das Flight Spare am Boden als Referenzmodell. Wenn Probleme beim Flug auftreten, verwendet man es zur Fehlerbeseitigung: Man testet am Referenzmodell, wie es reagiert und entwickelt Lösungen für das Flugmodell.

Die Mission umfasst insgesamt einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Wie ist es, wenn man so lange auf ein einziges Ziel hinarbeitet und gar nicht weiß, ob die Mission nicht zwischendrin scheitert?

Block: Die Zeitskalen sind bei den großen Projekten ähnlich: Im November 1993 wurde Rosetta ausgewählt und der Start beschlossen. Und dann dauerte es 10 Jahre bis zum Start und noch einmal 10 Jahre Flug. Während der Mission gab es mehrere Momente, an denen wir dachten: Das war es jetzt. Das eine Mal saß ich mit Professor Glaßmeier, Professor Michalik und Professor Motschmann mit vielen Zuschauern im Haus der Wissenschaft und wir warteten auf das Signal der Sonde, als sie nach Monaten des Tiefschlafs wieder aufwachen sollte. Wir wurden immer nervöser, bis das Signal mit über einer halben Stunde Verspätung endlich kam. Man erhält in seinem Leben nur eine Chance, eine Mission vom Anfang bis zum Ende zu begleiten. Und das war bei uns Rosetta.

Plaschke: Für mich ist es persönlich nicht ganz so wichtig, bei einer erfolgreichen Mission vom Anfang bis zum Ende dabei sein zu können. Ich verstehe die Missionen eher als Instrument für die Ausbildung von Studierenden. Sie können Alles praktisch miterleben und in ihren wissenschaftlichen Arbeiten Daten von der Mission auswerten. Dabei gehören sie auch mit zum Team der jeweiligen Mission und sind in den Meetings mit dabei. Das fördert ihre Teamfähigkeit und sie erleben den Spaß an dieser Arbeit – egal, ob sie später in die Forschung gehen oder woanders hin.

Die Messinstrumente der JUICE-Sonde
Bild: ESA

Wie sieht es denn aktuell mit der JUICE-Mission aus?

Plaschke: Sehr gut: Mit einem Tag Verspätung hat der Start der Sonde reibungslos geklappt und unsere Instrumente arbeiten wie geplant. Auch die Solarpaneele sind ausgefahren – sie haben eine riesige Fläche von etwa 85 Quadratmetern. Die Sonde ist jetzt unterwegs zum Jupiter.

Ich danke Ihnen beiden herzlich für das Gespräch. Und ich freue mich schon, zusammen mit den Hochschulbund-Mitgliedern an Ihrem Institut mehr über die Mission zu erfahren, Herr Professor Plaschke.

 

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